"Tom, immer bist Du bei unserem Team-Meeting zu spät! Kannst Du nicht mal pünktlich sein?"
Sätze, wie wir sie im Alltag durchaus hören. Lassen Sie uns analysieren! Welche Reaktion wird so eine Aussage bei Tom bewirken? Wahrscheinlich eher Widerstand und Rechtfertigung. Tom mag oft zu spät dran sein, doch vielleicht war er auch schon mal pünktlich. Was heißt also "immer"? Es ist wohl eher "gefühlt immer" und eine Verallgemeinerung. Und was heißt schon "pünktlich"? Das wird individuell und kulturabhängig sehr unterschiedlich interpretiert. In Deutschland mag man 5 Minuten zu spät wirklich unpünktlich sein. In Frankreich kommt der Vertrieb 1 Stunde "zu spät" beim Kunden an und das wird nicht mal entschuldigend erwähnt. "Pünktlich" ist eine Interpretation – individuell und Kultur-abhängig. Zudem könnte Tom es als Beschuldigung hören und sofort zu argumentieren beginnen "vorletzte Woche war ich rechtzeitig da und Ihr fangt ja eh nie pünktlich an!". Bei all dem Hin-und-Her ist die wirklich wichtige Frage aber: hat Tom den eigentlichen Wunsch seines Kollegen überhaupt gehört, verstanden, und ist er ggf. einverstanden? Wir erkennen, Verallgemeinerungen, Interpretationen und Beschuldigungen sind offenem Zuhören nicht dienlich.
"Tom, gestern beim Team-Meeting hatten wir schon 10 Minuten begonnen als Du kamst. Mir ist Deine Anwesenheit im Meeting wichtig! Darf ich Dich daher bitten, in Zukunft um 8:00 Uhr da zu sein?"
Was ist jetzt anders? Statt Übertreibung und Verallgemeinerung beruft sich der Kollege auf nachvollziehbare Fakten: der Arbeitsbeginn der Kollegen war 10 Minuten vor Toms Ankunft. Tom wird das wahrscheinlich nicht abstreiten. Diese Aussage ist frei von Interpretationen, Bewertungen oder Anschuldigungen, so dass Tom wahrscheinlich keinen Anlass hat sich zu verteidigen oder in Widerstand zu gehen. Dann folgt einer Wertschätzung eine klare Bitte, die Tom umsetzen kann, wenn er möchte.
Ob Tom beim nächsten Meeting wirklich um 8 Uhr da sein wird, wissen wir nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er gehört hat, was seine Kollegen sich wünschen, und dass er ohne Widerstand dieser Bitte auch nachkommt ist deutlich gestiegen.
"Peter, soll ich dir mal ganz ehrlich sagen, wie ich mich grad fühle? Ich fühle mich von dir total unter Druck gesetzt!"
Ein offenes Gespräch unter Kollegen. Stefan hat in einem Kommunikationsseminar gelernt, dass Gefühle zu äußern die Verbindung stärkt und die Verständigung fördert. Er ist deshalb völlig verwirrt, dass sein Kollege Peter auf diese Äußerung hin defensiv reagiert und das Gespräch kurz darauf beendet. Was ist schief gelaufen? Hier liegt eine Verwechslung vor: Der Satz beginnt zwar mit "Ich fühle mich…" dann folgt aber kein Gefühl, sondern eine Unterstellung (du setzt mich unter Druck), und die wird sehr wahrscheinlich als Vorwurf oder Anklage gehört. Das löst häufig entweder Verteidigung oder Rückzug beim anderen aus. Gefühle zu äußern stärkt nur dann die Verbindung, wenn es echte Gefühle sind und der Sprecher dafür selbst die Verantwortung übernimmt, sie also nicht dem anderen vorwirft. Und echte Gefühlswörter beschreiben, was in mir grad los ist, und nicht, was der andere angeblich mit mir gemacht hat.
"Peter, Du hast mich jetzt dreimal gebeten, mit dir noch mal über den Bericht zu schauen. Ich steh grad selber unter Druck, weil ich befürchte mein Pensum heute nicht fertig zu bekommen. Deshalb schaff ich‘s heute nicht mehr, dich zu unterstützen."
Jetzt wurden auch Gefühle geäußert, nämlich "unter Druck", und "ich befürchte", Stefan beschreibt hier aber lediglich seinen inneren Zustand und bleibt in der Selbstverantwortung. Zusätzlich eröffnet er dem Kollegen noch, woher sein Druck kommt, nämlich aus dem Bedürfnis nach Abgrenzung und Schutz vor Überlastung. Das kennt jeder: Ich möchte ein "Nein" aussprechen, traue mich aber nicht so recht, und dann, wenn der Innendruck gestiegen ist, rutscht ein Vorwurf raus (als Gefühl getarnt).
Möglicherweise ist Peter frustriert, weil er sich Unterstützung erhofft hatte. Die Beziehung ist jetzt von Ehrlichkeit und Offenheit getragen und wird dieses "Nein" verkraften.
"Andrea, ich bin total enttäuscht von dir, dass Du den Bericht nicht fertig gemacht hast, den Du mir für gestern versprochen hattest!"
Eine deutliche Rückmeldung von Robert an Andrea. Doch wie wird sie wohl auf dieses Feedback reagieren? Und wer hat hier die Verantwortung für Roberts Enttäuschung? Bevor wir uns die Verantwortung ansehen, schauen wir uns nochmal kurz an, wie die Tatsache dargestellt wird (Säule 1). Robert unterstellt, dass Andrea den Bericht nicht fertig gestellt hat. Fakt ist allerdings wahrscheinlich, dass er ihn nicht bekommen hat. Hier haben wir schon den ersten Ansatz, der helfen kann, dass Andrea kooperativ und nicht defensiv reagiert: bei den objektiven Fakten bleiben! Dann ist Robert enttäuscht, WEIL Andrea etwas getan bzw. nicht getan hat. Somit bekommt Andrea die Verantwortung für Roberts Gefühl. Das ist ungünstig für Robert in zweierlei Hinsicht. Erstens kann er wenig bezüglich seiner Gefühle machen, wenn jemand anders dafür die Verantwortung trägt. Zudem kann Andrea leicht eine Anschuldigung in seiner Rückmeldung hören und sich verteidigen wollen. Wie kann also ein hilfreicheres Feedback aussehen?
"Andrea, als ich gestern den versprochenen Bericht nicht erhalten hatte, war ich ganz schön enttäuscht, weil mir Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit wirklich wichtig ist."
Jetzt bleibt Robert bei den puren Tatsachen "er hat den Bericht nicht erhalten". Das schließt die Möglichkeit nicht aus, dass Andrea ihn fertig gemacht und abgesandt hatte, die Mail aber vielleicht im System hängen geblieben, im Spam gelandet oder sonst wie verloren gegangen war. Zweitens nimmt Robert jetzt die Verantwortung für seine Enttäuschung zu sich: "weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist" und nicht mehr weil Andrea etwas nicht getan hatte. Das entlässt Andrea aus der Schuld für Roberts Gefühl. Wahrscheinlich kann Andrea das Feedback damit viel leichter annehmen. Zudem ermächtigt die Verantwortungsübername Robert. Am Ende kann sowieso nur er etwas für seine Gefühlslage tun und genau das bringt er jetzt zum Ausdruck. Seine Enttäuschung zeigt die Nichterfüllung seines Bedürfnisses nach Zuverlässigkeit an und mit seinem Feedback an Andrea macht er einen proaktiven Schritt, für die Erfüllung seines Bedürfnisses zu sorgen.
"Ich brauche jetzt unbedingt eine Tasse Kaffee!"
Ein Satz, wie wir ihn oft hören – nichts Ungewöhnliches. Doch wenn der Kaffee aus ist, habe ich ein Problem – und das müsste nicht sein! Wenn wir tiefer schauen, können wir eine ganz "neue Welt" entdecken.
Alle Menschen wollen ihre Bedürfnisse erfüllen. Ein Bedürfnis ist etwas, das mir wichtig ist, wie z.B. Sicherheit oder Freiheit. Es ist also unabhängig von Raum, Zeit und anderen Personen. Ist ein Bedürfnis nicht erfüllt, empfinden wir ein unangenehmes Gefühl und den Drang das Bedürfnis zu erfüllen. Sind alle Bedürfnisse erfüllt, fühlen wir uns wohl und ohne Aktionsdrang.
Ist eine Tasse Kaffee ein Bedürfnis?
Nein, die Tasse Kaffee existiert konkret in Raum und Zeit. Sie zu trinken ist eine Lösungsstrategie, um ein dahinter liegendes Bedürfnis zu erfüllen z.B. Trinken, Wachsein, Konzentration, Pause, Austausch mit Kollegen (weil ich den Kaffee in der Kaffee-Küche trinke und dort immer Kollegen treffe). Bedürfnis oder Lösungsstrategie? Das könnte wie Haarspalterei um eine harmlose Kaffeetasse klingen. Der feine Unterschied ist aber, wenn mir mein wahres Bedürfnis hinter der Kaffeetasse klar ist, sagen wir Wachheit, öffnet sich eine Vielzahl an Möglichkeiten wach zu werden. Das ist sehr hilfreich, wenn‘s keinen Kaffee mehr gibt. Ich könnte dann auch einen Tee trinken, um den Block laufen oder ein paar Dehnungsübungen machen, oder, oder, oder.
Zugang zu vielen Lösungsmöglichkeiten!
Auf einer Lösungsstrategie zu beharren, ohne mir des eigentlichen Bedürfnisses klar zu sein, kann mich leicht in eine Sackgasse führen. Eine treffendere Aussage könnte sein: "Ich will jetzt unbedingt was tun, um wieder wach zu sein!" Wobei es weniger auf den Satz ankommt, als die innere Klarheit, was ich wirklich brauche!
Bedürfnisse verbinden!
Im Konfliktfall, streiten Menschen immer wieder über ihre unterschiedlichen Lösungsansätze und nicht über Bedürfnisse. Stellen wir uns folgende Konfliktsituation vor: sollen wir das Problem im kleinen Kreis besprechen oder im ganzem Team? Beide Parteien wollen vielleicht Effektivität und schnelle Problemlösung. Darüber wird es kaum Streit geben! Doch wie das am besten zu erreichen ist, darüber kann man sehr unterschiedlicher Ansicht sein. Daher ist es in Konfliktsituationen immer hilfreich, sich zuerst über die die Menschen verbindenden Bedürfnisse klar zu werden, sich zu einigen und erst dann gemeinsam kreativ über Lösungsstrategien nachzudenken.
"Antonia, ich bitte Dich, meine Worte wirklich ernst zu nehmen!"
Grundsätzlich ist es eine gute Idee, wenn Markus, das was er sich von seinem Teammitglied Antonia wünscht, ihr gegenüber auch als Bitte formuliert zum Ausdruck bringt. Doch was soll Antonia jetzt genau tun? Was braucht Markus wirklich, damit er das Gefühl hat, seine Worte wurden "ernst genommen"? "Ernst nehmen" ist einmal sehr vage, da jeder sich anders vorstellen mag, wie "Ernstnehmen" aussieht. Zudem ist die Bitte abstrakt und deshalb auch von einem durchaus gut meinenden und willigen Teammitglied nicht konkret umsetzbar.
"Antonia, ich bitte Dich nach Deinem Termin mit unserem Auftraggeber nächsten Dienstag, einen Gesprächsbericht an unsere Teammitglieder zu schicken, in dem alle Projektplan-Änderungen aufgelistet sind. Ist das ok für Dich?"
Jetzt weiß Antonia ganz genau und konkret, was Markus sich von ihr wünscht. Markus bittet sie um eine realistische und umsetzbare Handlung. Will Antonia die Bitte auch umsetzen, so stochert sie jetzt nicht im Nebel, sondern weiß genau, wie sie das bewerkstelligen kann: Gesprächsbericht schreiben und rundschicken. Sollte Antonia gar nicht gewillt sein, Markus‘ Bitte nachzukommen, so hat sie durch den Abschluss "Ist das ok für Dich?" die Möglichkeit, auch Nein zu sagen, oder einen Alternativvorschlag zu bringen. In jedem Fall weiß Markus durch ihre Antwort auf seine Abschlussfrage, woran er ist und kann ggf. weiter aushandeln, wie die beiden gemeinsam vorgehen wollen.
Bitten sind dann am ehesten erfolgversprechend, wenn sie …
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